Die Motoren fangen an, zu dröhnen. Vollgas. Es zieht im
Magen, ich kippe nach hinten, bekomme einen Kick. Delhi zieht an mir vorbei. Es
wirkt unreal. Wie durch einen Filter, einen Schleier. Ich kann es nicht fassen.
Vor 341 Tagen bin ich hierhergekommen. Jetzt geht meine Zeit in Indien vorbei.
Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme, nur Gott weiß, ob ich überhaupt
wiederkommen darf. Ich fühle mich stumpf. Mir fehlen die Worte. Irgendwie
kommen kaum Gefühle auf, Streifen, Fetzen von Trauer, Erleichterung, Dankbarkeit,
durchzucken mich, Gedanken fliegen vorbei. Druckausgleich. Was mache ich hier.
Seit 16. September habe ich Indien exakt für eine Minute verlassen und die
Grenze nach Nepal überquert.
Ich finde kein Gefühl, dass ich gerade habe. Es fällt mir
schwer, zu fühlen. Die eine oder andere Träne kullert. Es fühlt sich komisch
an. Ein Jahr, 340 Tage, alles so plötzlich vorbei. Ein Flügelschlag, und ich
verlasse Indien. Alles liegt hinter mir, ist nur noch Vergangenheit. O Mann.
Ich denke an all die Dinge, die ich erlebt habe, an die
Erlebnisse, die ich verpasst habe, an die verpassten Dinge, die ich nächstes
Mal nachholen will.
Was für ein Jahr! Voller Erwartungen bin ich angekommen,
wurde herzlich empfangen. Für jeden Menschen, den ich kennen lernen, jeden Ort,
den ich bereisen, jede Erfahrung, die ich machen durfte, sage ich Danke! Ich
sage danke für die Hochs, die auf jedes kleine Tief folgten und danke, dass ich
gesund geblieben bin.
Inzwischen bin ich wieder zu Hause. Es fühlt sich gut an.
Und seltsam. Vertraut, wie normal, Indien ist so weit weg. Ich habe ein
bisschen Heimweh nach Indien. Kein Fernweh, Heimweh. Nach einem Monat zu Hause spüre
ich, was ich alles vermisse. Der alte Mann, der mit einer Wasserpfeife vor dem
Tempel sitzt und mit dem ich jeden Morgen ein „Namaste!“ austausche. Die
Schüler, die mich jeden Morgen mit „Hallo Bruder, wie geht es dir?“ empfangen,
das gemeinsame Musizieren, Tee trinken, Film schauen, Schabernack treiben. Ich
vermisse meinen Lieblingsstand, an dem es frische Rolls, so etwas wie einen
Yufka Kebab gibt, vermisse den Laden gegenüber, der frisch gepressten
Zuckerrohrsaft verkauft, den Lärm von Motorrikschas und Straßenhunden.
Ich hatte ein wunderbares Jahr. Und ich komme zurück. As
soon as possible. Ma ki kassam!