Staub, Schlägerei, Schlaglöcher - Ein Tag im Local Bus

Immer wieder wird über Indiens Verkehr geschrieben und geredet. Mit einer Busfahrt von Rishikesh nach Delhi möchte ich euch das Transportwesen etwas näher bringen. 

So langsam habe ich von indischen Straßen wirklich genug - europäische Ordnung und eine Rundumreperatur wären mal angebracht...






Sonntag, 15 Uhr. Der erste Urlaub seit über zwei Monaten hat mich nach Rishikesh geführt. Yogawelthauptstadt, zeitlose Gemächlichkeit am Ganges. Malte, Philipp, zwei andere Freiwilligen aus Delhi, und ich warten am Busbahnhof auf den nächsten Bus nach Delhi. Nun gut, es kommen regelmäßig Busse, das Problem ist, dass der Bahnhof voll ist von Wochenendausflüglern, die heim wollen. Wir sind optimistisch. Ein Bus kommt. Und der ganze Bahnhof setzt sich in Bewegung, rennt, springt, schlägt. Das wussten wir nicht, neues Spiel, neues Glück also.

Kampf um einen Platz
Beim nächsten Bus sind wir vorbereitet, stellen uns an die Einfahrt und springen auf den noch fahrenden Bus auf, um als erste einen Platz zu bekommen. Die Türen öffnen sich, einhundert Menschen wollen aussteigen, dreihundert einsteigen. Die Lösung: Beide Menschenmassen drücken und drängeln, was das Zeug hält, American Football hoch drei. Die freundlichen und hilfsbereiten Menschen, mit denen wir am Bahnhof noch ein lockeres Gespräch führen, fahren ihren Ellbogen ohne Rücksicht aus. Nach viel Schieberei gelingt es Malte und mir, gerade noch so zwei Plätze zu ergattern. Das Ticket bekommen übrigens nur die Leute, die sich erfolgreich im Kampfe behauptet haben und sitzen.

Miniaturleben im Local Bus
Für 235 Rupien, drei Euro, gibt es 250 Kilometer im Local Bus. Die Straßen sind überfüllt, allein für die 20 Kilometer von Rishikesh nach Haridwar braucht unser Busfahrer mehr als eine Stunde. Fast alle Städte auf dem Weg haben sich entlang der Straße entwickelt, Fahrradrikschas und Obststände kreuzen unseren Weg ständig. Ein Glück, hat unser Busfahrer ein Hupe, laut und schrill. Sein ganzer Stolz, und bei jeder Gelegenheit muss (!) er sie auch benutzen, sie könnte ja einstauben! Steht die Hupe in Deutschland für Gefahr, bedeutet sie hier "Aus dem Weg!", "Ich bin da", "Mir ist langweilig." und, das beste, "Seht her, das ist mein Bus!".

Es gibt wirklich schöne Dinge an Busreisen. Wirklich jeder Fahrer hat auf seiner Speicherkarte Musik, die die Reise kurzweilig macht. Auf dem Weg hält der Bus an Dhabas, kleinen Restaurants, wo man günstig essen und seinen Chai trinken kann. Und eine Zeitung zur Hand ist wirklich ein Glücksfall.

Warum Indien erstmal nicht die nächste Supermacht wird
Aber die negativen Erlebnisse überwiegen, heute meinen es die Götter nicht gut. LKWs, die mitten auf der Autobahn nichts anderes zu tun haben, als auf der Gegenseite zu fahren. Oder zu wenden. Staus über Staus.  Alle Verkehrsmittel, die kleiner und wendiger sind als unser Bus, drängen sich in die Lücken, fahren neben der Straße. Die Mautstelle, vor der wir eine gute halbe Stunde warten. Die Hitze, die in den Bus dringt. Und, als wir kurz vor Delhi sind, der Regen. Ausgerechnet mein Fenster hat irgendjemand wohl abmontiert.

Indische Politiker haben immer die besondere Neigung, Indien schon einmal zur nächsten Supermacht zu krönen. Die Bevölkerungszahl legitimiert das ja schon. Aber wenn Indien wirklich so viel vorhat, dann muss die Regierung mal die Straßen in den Griff bekommen. Es kann doch einfach nicht sein, dass es auf der Autobahn Kreuzungen gibt, die auch Ochsenkarren befahren!


Die Busfahrt von Rishikesh nach Delhi, 3 Euro, 250 Kilometer, 9 Stunden. Eher meine letzte als meine erste Busfahrt, aber definitiv die intensivste! Ein Stück von Indien, ein Stück vom Leben sehen. Beim Einsteigen habe ich es noch bereut, diesen Bus zu nehmen. Jetzt bereue ich nichts. Enge und hupende Busse warten darauf, gefahren zu werden, und Erfahrungen wie diese warten darauf, gemacht zu werden.