Ein paar Gedanken...

Das Internet quillt über von 
Witzen über die Hitze ;)
Es ist Anfang Juni und ich spüre: Mein Jahr in Indien neigt sich dem Ende zu.

Ich weiß nicht, wie es gekommen ist oder wann ich das erste Mal daran gedacht habe. Nur ist der Abflug plötzlich in greifbare Nähe gerückt, ich schmiede letzte Pläne und mache mir Gedanken, was ich alles noch erleben will und muss, bevor es wieder nach Deutschland geht...

Ich bin ehrlich: Ich habe mir keine richtigen Gedanken darüber gemacht, ob ich gehen will oder nicht. Der Flug ist fest und damit steht das auch nicht zur Debatte. Doch im Grunde genommen ist es ähnlich, wie im September 2013:
Damals wollte ich nach Indien, aber eigentlich nicht wirklich weg von zu Hause. Jetzt will ich nach Hause, aber eigentlich auch nicht weg aus Indien ;)

Aber der Abschied liegt noch in der Zukunft. Zurück ins Jetzt.

Duschen. Frühstück. Arbeit. Hindi lernen. Duschen. Ausruhen. Abendessen. Duschen. Schlafen. Und von vorne.

So sieht mein Tagesablauf in den letzten Wochen aus. Seit der Sommer, seit die Hitze über Delhi hereingebrochen ist, sind Schlafen, Wasser, Duschen, Ventilator wichtiger als alles andere. Irgendwie geht es zurück zu den Grundbedürfnissen, und es kostet genug Energie, diese zu befriedigen. Aber keine Angst - das geht vorüber, inzwischen haben sowohl Delhis Elektrizitätswerke als auch mein Körper sich einigermaßen an die Temperaturen angepasst.

9 Monate in Indien

Ein dreiviertel Jahr habe ich hinter mir. Und alles ist so normal geworden. Alles. Es ist normal, dass Autos beim Rückwärtsfahren einen Klingelton spielen, normal, dass zwei Mal die Woche die Straße von einer Hochzeitsgesellschaft blockiert wird, die absolut normalste Sache der Welt, morgens die Lockrufe der Rikschafahrer, Müllabholer und Wasserwallahs zu hören.
Es ist schwer, das Gefühl zu beschreiben, dass sich mittlerweile eingestellt hat. Ich urteile anders als vor einem Jahr, lebe anders und denke anders.
Viele meiner alten Vorstellungen von Indien, von Deutschland, von Armut, vom Leben haben sich verändert oder aufgelöst. Und viele stehen in der Schwebe und können sich nicht entscheiden, ob sie bleiben oder gehen wollen.
Zum Beispiel zum Thema Armut: Ist jetzt der "Globale Norden" schuld? Die Politik? Wir als Konsumenten? Die Konzerne? Die korrupten Regierungen armer Länder? Die Menschen selbst? Je nach Perspektive, ob ich die europäische oder die indische Brille aufsetze, ob ich mit wohlhabenden oder armen, gebildeten oder ungebildeten Menschen rede, ändert sich die Antwort!


Stimmungsbarometer

Ich vermisse viele Dinge: Die Stimmung in Deutschland bei der Weltmeisterschaft, die hier so gar nicht aufkommt. Eis vom Simonetti oder Da Venezia. Grillen und Freibad.
Cricket, Magoshake und Tandoori Chicken können das alles nicht so wirklich ersetzen.

Ich spüre, wie wichtige viele Dinge und Menschen für mich sind. Für die Erfahrungen, die ich hier mache, bin ich sehr dankbar. Obwohl ich vieles vermisse, geht es mir wirklich gut.

So, die Zielgerade kommt langsam in Sichtweite. Solange genieße ich noch das letzte Viertel in vollen Zügen!
Bis bald mal wieder!